„Liebe in Zeiten des Kriegs“ spottete die Presse als deutsche Soldaten kurz vor dem Einsatz im Bürgerkriegsgebiet standen und der politisch Verantwortliche mit einer Adeligen herum turtelt – erinnern Sie sich noch an Verteidigungsminister Scharping und Gräfin Pilati und die Pool-Affäre?
„Liebe in Zeiten des Kriegs“ – so hätte auch die Überschrift zur Hochzeit Martin Luthers mit der Adeligen Katharina von Bora während des Bauernkriegs 1525 lauten können. Und das wäre noch eine harmlose Überschrift gewesen. Denn skandalöser hätte eine Verbindung kaum sein können: ein berühmter Mönch heiratet eine ehemalige Nonne – das würde vielleicht sogar heute ein Naserümpfen hervorrufen. Luther selbst war sich bewusst, dass die Hochzeit und ihr Zeitpunkt skandalös waren und seinen Ruf noch weiter beschädigen würden. Er schrieb in einem Brief: „Ich habe mich durch meine Hochzeit so feil (opportunistisch oder käuflich) und verächtlich gemacht, dass - wie ich hoffe - die Engel lachen und die Teufel weinen.“
Warum heiratete er trotzdem? Es war wohl nicht deshalb, weil Luther unbedingt eine Frau brauchte, wie es ihm seine Gegner unterstellten. Denn mit dem Gebot der Keuschheit hatte Luther als Mönche keine größeren Probleme gehabt. 1521 schrieb er, zwar hätten andere Reformatoren geheiratet, „aber mir werden sie keine Frau aufdringen.“
Es war auch nicht so, dass es eine Liebesheirat gewesen ist. Katharina von Bora war 1523, also zwei Jahre vorher, zusammen mit acht anderen Nonnen in Heringsfässern aus dem Kloster Nimbschen zu Luther nach Wittenberg geflohen. Luther musste die Frauen so schnell wie möglich ehrbar verheiraten, was nach und nach gelang. Nur bei Katharina von Bora, genannt Käthe, nicht. Sie blieb übrig und so heiratete Martin Luther sie wohl auch als Verantwortungsgefühl. Es gab aber wohl noch einen anderen Grund: Martin Luther sah im Bauernkrieg den Teufel am Werk und sah sich auch vom Teufel in eine Rolle gedrängt, die ihn, Luther, vernichten konnte. Was ja auch stimmte: Luthers Rolle im Bauernkrieg war alles andere als rühmlich. Seine Käthe zu heiraten, schreibt Luther in einem Brief im Mai 1525, sei eine Möglichkeit, dem Teufel zu trotzen. Martin Luthers Hochzeit mit Katharina von Bora war eine Bekräftigung seines Muts gegen den Teufel, seines Beharrens auf dem Leben inmitten des Todes. Die Hochzeit ist gewissermaßen die Umsetzung des Spruchs vom Apfelbäumchen, der Luther zugeschrieben wird: Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute ein Apfelbäumchen pflanzen oder eben heiraten. Die Hochzeit als Ausdruck der Lebensfreude, der Zuversicht, der Hoffnung auf den Sieg über den Teufel und alle lebenszerstörenden Kräfte.
Ganz anders die Landshuter Hochzeit, die 50 Jahre früher stattfand. Auch sie war keine Liebesheirat. Sie war aber auch kein Zeichen gegen den Teufel, sondern ein diplomatisches Projekt zum Ausbau und zur Festigung der politischen Macht der Wittelsbacher von Bayern-Landshut und vom polnischen Königshaus.
Entsprechend unterschiedlich war auch die Ausgestaltung der Hochzeitsfestlichkeiten. Während Luther zu seiner Hochzeitsfeier Eltern, Verwandtschaft und Bekannte, Kollegen und einige Freunde einlud und mehrfach den Kurfürsten um ein Wildbret für das Festmahl anbetteln musste, war die Landshuter Hochzeit – wir wissen es alle – pompös, immens groß und prunkvoll. Eine Woche wurde die Stadtbewohner und ihre illustren Gäste von Herzog Ludwig eingeladen und die Mengen an Essen, die verzehrt wurden, waren atemberaubend: 323 Ochsen (zu je 5 3/4 Gulden) • 285 Brühschweine aus Burghausen • 1133 ungarische Schafe • 625 neugeborene Schafe und 1537 Lämmer • 490 Kälber und 684 Ferkel • 11.500 Gänse von den Untertanen (eine für 9 Pfg.) • 40.000 Hühner (eines für 5 Pfg.) • 194.345 Eier (3 Stck. für 1 Pfg.) • 220 Zentner Schmalz • 119 Scheiben Salz • verschiedene Mehlsorten • 8 Schaff Zwiebel • mehrere Tonnen Stockfische, Heringe, Fluss- und Seefische • 5 Zentner Mandeln und ebensoviel Reis • 140 Pfund Rosinen und 730 Pfund Feigen • Käse und Honig • an Gewürzen: Safran, Pfeffer, Ingwer, Zimt, Nelken, Muskat, Zucker • an Weinen unter anderem: 320 Maß Muskateller, 1080 Maß Veroneser, 18390 Maß Hefewein, 330 Maß Met, 5616 Eimer und 24 Maß Speisewein.
Die Hochzeit war so teuer und die Zahlungsmoral der polnischen Königsfamilie war so schlecht, dass Benedikt Schramm zu dem Ergebnis kommt, dass die Landshuter Hochzeit, wenngleich politisch ein Gewinn, aus finanzieller Sicht ein schlechtes Geschäft war.
Nun war die Landshuter Hochzeit nicht die erste oder die letzte Hochzeit, die finanziell aus dem Ruder gelaufen ist. Seit Jahren geben Brautpaare in Deutschland mehr Geld für die Hochzeit aus: im Durchschnitt 15.600 Euro ohne Verlobungsring. Und wenn Ihnen das viel vorkommt: die Hochzeit von Anat Ambani und Radhika Merchant im Juli 2024 in Mumbai soll 200 Millionen Dollar gekosten haben – dagegen war die Hochzeit von Lauren Sanchez Jeff Bezos in Venedig in diesem Jahr mit ca. 60 Millionen Dollar geradezu ein Schnäppchen. Darf man das? Darf man so viel Geld für eine Luxus-Hochzeit ausgeben? Und vor allem – ist es gut, es zu tun?
Die Historikerin Annette Kehnel hat recherchiert, dass im ausgehenden Mittelalter im deutschen Reich sogenannte Aufwands- und Luxusordnungen entstanden, die genau regelten, was für Kosten für Kleidung, Schmuck und Frisur bei Festen anfallen durften. Die Zahl der Gäste bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen wurde begrenzt und auch Essen und Trinken reguliert. Dahinter stand die Sorge, dass die Zahl der Eheschließungen sinken könnte, wenn die Hochzeiten zu teuer würden und es dann weniger Kinder bzw. mehr illegitime Verbindungen geben könnte. Außerdem wurde auf die Gefahr hingewiesen, dass sich die Bürger verschulden und der Ruf der Stadt leiden würde, so der Stadtrat von Carpentras zur Begründung der Hochzeit-, Tauf- und Kleiderordnung. „Luxus“, so fasst es die Historikerin zusammen, „barg die Gefahr der Selbstzerstörung in sich.“ Selbstzerstörung durch Verschwendung war nicht allein für den Einzelnen, sondern vor allem auch für das Gemeinwesen eine Gefahr, die es zu bekämpfen galt. Die Luxusordnungen sollten kommunizieren: dies ist das rechte Maß, was man für ein Fest ausgeben sollte. Wer es überschritt, musste zahlen. Und die Strafgelder wurden wieder zum Wohl der Allgemeinheit eingesetzt.
Liebe Gemeinde, eine Luxusordnung für die Stadt Landshut einzuführen, kann heute wohl niemand wollen. Dennoch machen wir als Kirche die Erfahrung, dass Menschen dankbar die Angebote annehmen, die ein „Downsizen“ ermöglichen. Zum Beispiel mit der Aktion ‚Einfach heiraten‘, bei der sich Paare den Segen Gottes ohne Kosten und Tamtam zusprechen lassen können. Oder beim Tauffest, bei dem wir gemeinsam ein fröhliches Fest feiern und viele Familien anschließend ein Picknick machen statt eines aufwändigen Festessens in einem Gasthaus.
Gerade der Vergleich der Landshuter Hochzeit und Luthers Hochzeit zeigt ja auch, dass die prunkvollere Hochzeit nicht unbedingt die glücklichere wurde. Wobei schwer zu sagen ist, wie glücklich Hedwig und Georg waren. Martin Luther jedenfalls schrieb kurz nach seiner Hochzeit: „Ich brenne nicht, aber ich liebe die Gattin.“ So wurde aus der Versorgerehe wohl doch noch eine Liebesbeziehung. Und was könnte einen Teufel mehr ärgern, als dass am Ende die Liebe siegt?
Liebe Gemeinde, angesichts der Lage der Welt kommen uns wohl auch manchmal der Gedanke, dass das Böse übermächtig wird. Und manchmal gibt es dann auch diese Frage in Hinterkopf: dürfen wir es uns angesichts dieser Weltlage noch gutgehen lassen? Dürfen wir uns freuen und Feste feiern, wenn die Welt so desolat ist? Tanzen wir nicht auf dem Vulkan?
Heute wollen wir uns daran erinnern, dass es auch den Generationen vor uns oft sehr schwer ging. Und dass schon immer Menschen den Mut gefunden haben, dem Bösen zu trotzen. Indem sie sich für den Frieden und für das Gemeinwohl eingesetzt haben. Und indem sie dem Bösen, dem Teufel das entgegensetzt haben, was ihn am besten vertreibt: Lebensfreude, Dankbarkeit, Gottvertrauen und Liebe. Und das eine oder andere Festchen. Amen
(Gehalten am 31.10.25 von Dekanin Dr. Nina Lubomierski in der Christuskirche Landshut, im Hintergrund der Chor der Reisigen und die Marketenderinnen)

